2. – 19. Mai 2012

Ob das Sulmtal vor der Zerstörung gerettet werden kann und ein europaweit nahezu einzigartiges Beispiel für eine nicht verbaute Flusslandschaft bleiben kann, darf man bezweifeln. Die Wut des Künstlers und die Ohnmacht in weiten Teilen der Gesellschaft angesichts des rücksichtslosen Umgangs mit der Natur und deren Ressourcen sind weit verbreitet und haben ständig neue Anlässe. Die Malerei als eines der traditionellsten Medien innerhalb der Kunst hat kaum Möglichkeiten, sich aktiv in gesellschaftliche Prozesse einzumischen.

Generell steht die Malerei ambivalent gegenüber dem Fortschritt, gegenüber der Moderne. Einerseits ist sie Ausdruck davon, andererseits ist sie auch eine zeitlose Insel, die eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt und nach Ursprünglichkeit strebt.
Das Visuelle hat heute viele Quellen. Gute Malerei lässt sie alle spürbar werden – die Erfahrung des einen mit dem andern Medium. Beispielsweise Licht als grundsätzliches Element der Fotografie ist in der Malerei auch ein zentrales Thema, allerdings eher auf einer repräsentativen Ebene – das konventionelle Gemälde bildet das Licht ab. Man begegnet aber auch Beispielen, in denen die Malerei eigene Räume mit eigenem Licht schafft. Die chinesische Malerei strebte von Beginn an nicht nur danach, einen Repräsentationsrahmen zu schaffen, sondern einen medialen Ort, an dem wahres Leben möglich ist. Kunst und Lebenskunst sind dabei gleichgestellt.
Herbert Brandl Brandl konfrontiert das Publikum mit einer ähnlichen Situation. In seinen Bildern, die nicht immer abstrakt sein müssen, werden teilweise erkennbare Strukturen sichtbar, die keiner herkömmlichen Logik entsprechen. Sie appellieren vehement an das innere Bildbewusstsein des Publikums.
Gewaltige Farbformationen schieben sich da meist über die Bildfläche und lassen an dramatische Naturereignisse denken, die teilweise ins Traumhafte oder ins Psychedelische reichen. So sehr es in seinen Bildern um Landschaften oder Berge gehen mag, sind es doch Schwebezustände zwischen abstrakt und gegenständlich, die das Rätsel dieser Bilder ausmachen. Der realistisch ausformulierte Steinpilz ist dann plötzlich fremd, wirkt monströs und bedrohlich – unwirklich. Man könnte ihn fast abstrakt auffassen. Dadurch, dass Brando Raum und Lichtwirkungen entstehen lässt, wird die Eigenständigkeit einer malerischen Realität deutlich. All das spricht für den zuvor beschriebenen medialen Ort, der durch die Malerei entsteht. Wenn man den medialen Raum in Bezug auf die Massenmedien bzw. die technischen Bildmedien kennt, liegt es nahe, der Malerei das Gleiche zuzugestehen.

Seit 2009 hat Herbert Brandl begonnen, Monotypien herzustellen. Die sehr einfache Drucktechnik – der Künstler malt auf einer Platte aus Plexiglas, die dann auf einen Bildträger gedruckt wird – führt zu einem Vorgang, der zwischen Malerei und technischer Bildproduktion steht. Die technischen Notwendigkeiten sind sehr reduziert und das Arbeiten kann weitestgehend unmittelbar geschehen. Die Dynamik des Malvorgangs lässt sich in Monotypien größtmöglich und unmittelbar erreichen. Brandl wurde in seinen Monotypien bis heute immer freier und spontaner im Farbauftrag und in der Formfindung. Spritzer, Wischer und Farbnebel lassen wie in der chinesischen Malerei lesbare Formationen erkennen. Die Monotypien brechen teilweise auch aus dem Bildgeviert aus, werden Scheiben, Ovale, Fächer – Durchblicke in eine völlig andere Realität, entweder dem Mikrokosmos zugehörig oder aus der Distanz betrachtete interstellare Anhäufungen.
Für Herbert Brandl, der schubweise arbeitet, ist die Monotypie ein geeignetes Verfahren, da sich dabei keine Auflagen, sondern Serien ergeben. Das Serielle, das an das Sequenzielle des Films erinnert, ist in diesem Medium evident. Auftragen und Wegwischen sind beim Gestaltungsprozess bestimmend. Die Plexiglasplatte lässt das Wischen auf der Oberfläche leicht zu. Die Leerstelle auf der Platte ist im Endergebnis bestimmt vom Weiß des Papiers. Fülle und Leere hat die chinesische Malerei als eines ihrer zentralsten Grundprinzipien.
Herbert Brandls Ausstellung in der Galerie Reinisch Contemporary lässt auf engem Raum ein unheimlich weites Panorama an malerischer Dramatik zu. Die Bilder sind sowohl Einzelereignisse als auch ein Gesamterlebnis durch den installativen Charakter und das Zusammenspiel der Werke. Selten erreicht Malerei derartige Wahrnehmungssphären wie im Werk von Brandl.

Günther Holler-Schuster

Reinisch Contemporary